Kaiser der Paradeiser und Rockstar der Tomaten. Österreichischer Bio-Bauer in zweiter Generation in Frauenkirchen am Neusiedler See. Paradebeispiel der Slow-Food-Bewegung. Hat im Laufe der Jahre 3200 Tomaten- oder Paradeisersorten angebaut, was die größte Sammlung an Tomatensaatgut weltweit darstellt. Neben anderen Feldfrüchten finden sich u. a. auch über 600 verschiedene Chilli-Arten und rund 40 Sorten Basilikum im Repertoire. In Europa kultiviert man üblicherweise nur einige wenige Hybridsorten, obwohl es weltweit 300 000 Paradeisersorten gibt, von der jede anders schmeckt. Sortenpflege ist Erich daher ein großes Anliegen. 100 Sorten will er der Nachwelt in guter Qualität erhalten, und ein Vokabular für Gemüse und Obst – eine Sprache zur Beschreibung von Aromen – finden und verbreiten.
Erich wollte Koch werden, seiner Mutter zuliebe hat er Theologie studiert. Dann war er Religionslehrer, aber Lehrer haben zu zu wenig Freizeit, daher wurde er Landwirt und führte den Gemüseanbaubetrieb seines Vaters weiter. Dies auch durch Schlüsselerlebnisse während des Zivildienstes, wo er mit vielen Patienten zu tun hatte, die ihm erzählten, was sie machen würden, wenn ihnen noch Zeit dafür bliebe. Bei seiner Arbeit schätzt er, dass er das, was er macht nicht allein macht. Sobald er die Samen in den Boden legt, hat er schon gewonnen. Der Acker arbeitet für ihn. Auch daher Erichs Grundsatz: Am Feld draußen alles so sein lassen wie es ist, weil es eh gut ist wie es ist. Er weiß, dass man von einem alten, kleinen Traktor aus den Boden spürt. Auf einem neuen, hohen Traktor sieht man weniger, und riecht die Erde nicht. Er sieht es wie Düringer, der sagt, es ist nicht wichtig, was wir mit dem Garten machen, sondern was der Garten mit uns und aus uns macht. Daher macht er gerne Führungen. Und weil Erich sich auf jede erste Führung des Jahres freut und traurig bei der letzten ist, sind die Führungen immer ausgebucht. Weil Zeit das ist, was unserer Gesellschaft am meisten weh tut, wenn man sie ihr wegnimmt, ist ihm wichtig, dass sich die Leute für ihn und seinen Mikrokosmos Zeit nehmen, mindestens vier Stunden.
Für Erich wird etwas, das keine Geschichte hat, nicht zur Geschichte und etwas, das man nicht in Geschichten erzählen kann, ist auch der Geschichte nicht würdig. Geschichten hat er viele auf Lager, zum Beispiel über die Gießer. Im Jahrhundertsommer 2003 entdeckte er, dass seine Tomatenpflanzen auch ohne Gießen gedeihen und sich ihr Geschmack dadurch intensiviert. Freilandtomaten werden seither von Erich Stekovics außer beim Einpflanzen nie gegossen. Er vertraut der Urkraft der Pflanzen, die das Wasser über alles lieben, aber es selbst finden müssen, um ihr volles Potential zu entwickeln. Das Wurzelgeflecht von Stekovics‘ Tomatenpflanzen erreicht wie das ihrer Ahnen in Südamerika, deren Wurzeln über Felsen ins Meer hinunter wachsen, im Durchschnitt 800 m Wurzellänge und hat eine Wurzeltiefe bis zu 1,70 m. Weil er sie lässt. Das ist wie richtigen Leben. Das, was ich liebe und da nicht finde, hol ich mir woanders, und am Weg findet Entwicklung und Stärkung statt. Gerne beobachtet Stekovics die Leute, die lieber giessen als ernten. Der Vorteil vom Gießen ist, dass man nicht mehr ernten muss.
Wenn Erich einmal anfängt zu reden, hört er gern nicht auf, weil er sich so über sich selber freuen kann. Ein Journalist hat einmal über ihn gesagt: ‚Erich Stekovics hat die Kirche nicht verlassen, nur einen anderen Ort gesucht, um zu predigen.’ Erich Stekovics spricht beim DNA Smart Afternoon 2015 am 8. Oktober in der Ottakringer Brauerei.